Merkmal Selbstorganisation

Selbstorganisation in der fraktalen Fabrik betrifft sowohl die operative als auch die taktische und strategische Ebene. Damit wird erreicht, daß sich gute Ideen, wo immer sie auch herkommen, durchsetzen können. Der Prozeß der ständigen Verbesserung wird direkt und schnell wirksam und bleibt damit am Leben. Ein betriebliches Vorschlagswesen wirkt bei bürokratischem Aufbau und Ablauf sehr schnell demotivierend, wodurch überhaupt keine Vorschläge mehr kommen. Diese Problem wird hier vollständig vermieden.

Operative Selbstorganisation bedeutet die Verwendung angepaßter Methoden zum Beherrschen der Prozesse. So werden verschiedene Fraktale auch verschiedene Methoden einsetzen. Ansätze zu selbstorganisierenden Systemen werden heute bereits vielfach in der betrieblichen Praxis angwendet. So ist zum Beispiel die Teamarbeit ein guter Ansatzpunkt, da im Problemfall die Lösung dort gesucht wird, wo sie auftritt, nämlich in der Gruppe, und nicht von irgendeinem Manager, der mit der Arbeit der Gruppe womöglich nichts zu tun hat und sie auch nicht genau versteht.

Das folgende Beispiel zeigt, daß auch und gerade ein Fraktal "Produktentwicklung" durch das Prinzip der Selbstorganisation aufleben kann:

"Wenn bei 3M die Geistesblitze nicht ausbleiben, liegt das ... am innovativen Klima. So darf jeder Mitarbeiter der Entwicklungsabteilungen 15 Prozent seiner Arbeitszeit für eigene Forschungsprojekte verwenden - ohne dafür Rechenschaft geben zu müssen. Braucht der Mitarbeiter für ein eigenes Projekt Mittel, beispielsweise für die Anschaffung speziellen Laborgeräts, steht dafür ein Fonds von einer Million Dollar pro Jahr zur Verfügung (über dessen Vergabe ein Komitee entscheidet). Die selbstklebenden 'Post-it'-Zettel, mit denen 3M heute jährlich 300 Millionen Dollar umsetzt, sind Ergebnis solch eines 'Eigen-Projekts'." (FAZ 27.9.91 in [Warn93])

Es ist wichtig zu erkennen, daß Mitarbeiter sicher auch Fehler machen werden, sobald man ihnen einen größeren Handlungsspielraum zubilligt, daß es aber noch schlimmer wäre, statt dessen durch diktatorische Vorgaben die Tätigkeit exakt vorzuschreiben. Damit würde jede Eingeninitiative erstickt, was dazu führt, daß Mitarbeiter die Arbeit nur mehr mechanisch ausführen, ohne selbst aktiv nachzudenken. Das bedingt eine Verminderung der Leistung und ein viel späteres Entdecken von Problemen. Auf lange Sicht ist das Unternehmen dann viel häufiger damit beschäftigt, Probleme zu beseitigen, anstatt Probleme bereits im Voraus zu erkennen und gleich zu vermeiden.

Neben die operativen Selbstorganisation tritt in der fraktalen Fabrik auch die taktische und strategische Komponente. Es gilt, globale Ziele lokal durchzusetzen. Der heute übliche Strukturierungsprozeß in einer Fabrik oder einem Fertigungssystem wird immer von außen angestoßen. Ein solcher Planungsanstoß kommt in aller Regel erst bei nicht mehr zu übersehenden Mängeln und damit viel zu spät. Man muß begreifen, daß nicht nur die Abläufe, sondern auch die Strukturbildungsprozesse einer hohen Dynamik bedürfen, um den sich wandelnden Anforderungen gerecht zu werden. Dieser Prozeß wird dynamische Strukturierung genannt und im nächsten Abschnitt genauer untersucht.