Gemeinsames Führungsprinzip: Management by Objectives

Was wir in der Untersuchung der fraktalen Fabrik erläutert haben, nämlich die Notwendigkeit genau definierte Ziele vorzugeben und anschließend (und auch immer wieder zwischendurch) zu überprüfen, während die einzelnen Fraktale große Autonomie bei der Erfüllung dieser Ziele haben, tritt auch bei der Telearbeit auf. Dieses Prinzip wird oft "Management by Objectives" (MBO) genannt. So sagt [Kuge95] im Zusammenhang mit Telezentren: „There are two significant barriers to the flexible management of a large number of workers [...]: resistance to managing by objective, and differing views among managers of the autonomy or self-direction [...].The first, management by objective, is essential whenever a worker is out of the line of sight. The second, autonomy, authorizes the degree of independence and self-reliance a worker is allowed."

MBO löst immer mehr die traditionelle Weise ab, die Angestellten zu kontrollieren: "Management By Line of Sight Supervision" (MB-LOSS), wobei darauf geachtet wird, daß alle Angestellten anwesend sind und dem Anschein nach tätig sind, egal wie produktiv. Ebenso wie Fraktale autonom in zumindest einigen Belangen sind, ist daher auch der Telearbeiter autonom, da er nicht mehr direkt kontrolliert werden kann. Dauerndes auf die Finger schauen verringert auch die Produktivität, da man keinerlei Vertrauen erfährt, sondern nur das dauernde Mißtrauen des Vorgesetzten, der quasi wie ein Sklaventreiber hinter einem steht und einen überwacht.

Trotz der Anwendung von MBO hat sich gezeigt, daß dies nicht der Weisheit einziger und letzter Schluß sein kann, da MBO relativ unflexibel auf plötzlich auftretende Probleme oder Erleichterungen ist. So sind z. B. bei Telearbeit Überstunden nur gegen vorherige Genehmigung zulässig [GPA] (§3 Abs. 4: Mehrarbeit und Überstunden), während Arbeitserleichterungen für den Betrieb meistens verlorengehen, da sie einfach durch mehr Freizeit (in diesem Fall bezahlte, da keine genauere Überwachung möglich und aus anderen Gründen auch nicht sinnvoll ist) ausgeglichen werden. Daher trifft die Aussage [GlGl95]: „Aber die Menschen müssen vielleicht erst lernen, von den neuen Freiheiten und Chancen den richtigen Gebrauch zu machen. Deshalb muß möglichst genau gefragt werden, wie diese neuen Freiheiten im einzelnen wirklich aussehen, welche Gefahren sie begleiten, und wie man letzteren so begegnen kann, daß sich die Segnungen nicht schließlich selbst wieder aufheben" nicht nur auf die Telearbeit, sondern auch auf die fraktale Fabrik zu. Denn Fraktale müssen trotz der vorgegebenen Ziele kontrolliert werden, damit sich nicht wieder unprofitable Zweigleisigkeiten oder verschleppte, weil lokal nicht lösbare, Probleme bilden, die die Fraktale ad absurdum führen. Es ist also besonders darauf zu achten, daß sich Fraktale nicht nur immer wieder ändern können, sondern es sogar sollen, und daß die Mitarbeiter auf die neue Arbeitsweise eingeschult und dabei (sowohl ausbildungsmäßig als auch psychologisch) unterstützt werden müssen, denn Fraktale können leicht dazu führen, daß sich die enthaltenen Menschen von der Umgebung abschotten, was die grundsätzliche Idee des Fraktals stark behindert und im Endeffekt sogar schädlich für das Unternehmen macht.

Betrachtet man nun die vorherigen Überlegungen, so kann man erkennen, daß MBO ein sehr wertvolles und sowohl für die Telearbeit wie auch die fraktale Fabrik notwendiges Führungsprinzip ist, daß es aber im Gegensatz zum alten Führungsstil auch ein Mitwirken der Arbeitnehmer benötigt, die dafür ausgebildet werden müssen. Der wichtigste Punkt aber dürfte die Motivation der Mitarbeiter sein. Denn da keine direkte Überwachung mehr stattfindet, ist das Unternehmen viel stärker darauf angewiesen, daß die Mitarbeiter auch ohne diese Überwachung produktiv und fleißig sind. Sowohl die fraktale Fabrik als auch die Telearbeit können dafür sowohl ein Anreiz als auch eine Behinderung sein.