Das Problem des Zielkonflikts

Eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung des Konzepts der fraktalen Fabrik liegt laut Warnecke [Warn93] darin, daß die Ziele der Mitarbeiter mit denen des Unternehmens übereinstimmen müssen. Dies sieht er unter anderem mit der Argumentation als erreichbar an, daß das Arbeitsleben als wesentlicher Bestandteil der Existenz eines jeden zu sehen sei und durch ein höheres Maß an Selbst- und Mitbestimmung jeder Mitarbeiter einer fraktalen Fabrik ein erfüllteres Arbeitsleben hätte.

Wie auch in [StFr96] treffend bemerkt ist, bedingt eine stärkere Einbindung des kreativen und innovativen Potentials auch gleichzeitig einen Verlust an Bequemlichkeit und Sicherheit. Damit ist es durchaus möglich, daß Mitarbeiter - je nach Naturell - eine dieserart veränderte Situation nicht als Vorteil sehen. In Verbindung mit der Tatsache, daß der Erwerb eines Einkommens in den meisten Fällen die wichtigste Motivation für die Tätigkeit in einem Unternehmen darstellt, ist die Zielsetzung des Einzelnen, sein Gehalt und unter Umständen sein Gehalt pro Leistung zu maximieren, sicher nicht kongruent mit den Unternehmenszielen. Damit können zusätzliche Freiräume sicher auch dazu führen, daß das Unternehmen für das gleiche Gehalt weniger Leistung erhält.

Die von Warnecke propagierte Lösung dieses Problems durch ein Prämiensystem ist durch die Möglichkeiten begrenzt, die zur Verfügung stehen, um die Leistung des Einzelnen in Hinblick auf das Unternehmensziel zu messen. Als Näherung wird ein auf Fraktale ausgelegtes System vorgeschlagen: die Leistung eines ganzen Fraktals innerhalb des Unternehmens ist leichter meßbar und Prämien werden auf das gesamte Fraktal bezogen. Damit sorgen soziale Sanktionen dafür, daß in einem Fraktal alle am gleichen Strang ziehen. Auch hier liegt es an der konkreten Konstellation der Mitarbeiter, ob das zum Segen oder zum Fluch wird.

Daß die Sicherheit des Arbeitsplatzes und der Spielraum für ein höheres Lohnniveau vom Erfolg eines Unternehmens und dieser wiederum vom Erreichen der Unternehmensziele durch die Mitarbeit aller abhängt, ist eine zu abstrakte Schlußkette, um Auswirkungen auf den Arbeitsalltag zu haben. Anders ist es nicht zu erklären, daß in Schweden nach Einführung der Regelung, daß der erste Krankenstandstag vom Urlaub abgezogen wird, die Anzahl der ein bis zweitägigen Krankenstände auf unter die Hälfte sank.

Abhilfe kann nur eine erhöhte Identifikation mit dem Unternehmen schaffen. Ein gewisser Erfolg ist mit Mitbesitz am Unternehmen (z.B. Aktien) zu erreichen, mit wachsender Unternehmensgröße hat dieser aber sicher nur mehr symbolischen Charakter. Wirklich erfolgreich sind Unternehmen, die den einzelnen Mitarbeiter als den wichtigsten Bestandteil des Unternehmens sehen und entsprechend behandeln. Das kann sich aber nicht allein in der Einführung eines Prämiensystems erschöpfen.