Am Rande des Chaos?

Literaturquelle: [Ho95]

In der Komplexitätstheorie geht es darum, eine einheitliche Sichtweise der unbelebten Natur, des Lebens, des menschlichen Sozialverhaltens, letztlich des ganzen Universums zu finden. Aber es gibt schon Komplexologen, die sich Sorgen über die Kluft des tatsächlich Erreichten und diesem hohen Anspruch machen. Ein Problem ergibt sich schon daraus, daß der Begriff nicht einheitlich definiert wird. Es gibt verschiedene Versuche Komplexität genau zu definieren, wobei sich viel vom "Rand des Chaos" versprochen wird. Die dazugehörige Grundidee ist, daß sich aus völlig chaotischen Systemen, wie heiße Gase oder turbulenten Flüssigkeiten, eher etwas Neues entwickelt als aus geordenten und stabilen Systemen (z. B. Kristalle). Diese Idee wird vor allem Christopher Langton und seinem Mitarbeiter Norman H. Packard zugeschrieben. Sie schlossen aus Experimenten mit zellulären Automaten, daß die Rechenkapazität eines Systems in einem schmalen Bereich zwischen periodischem und chaotischen Verhalten ein scharfes Maximum erreichen. James P. Crutchfield und Melanie Packard vom Santa-Fe-Institut (New Mexiko), dem Mekka der Komplexitätsforschung, stellen das in Frage. Sie stellen die Frage, [Ho95] ob "eine Art Drang zu universeller Rechenfähigkeit bei der Evolution biologischer Organismen als treibende Kraft" wirkt.

Nicht ganz einig ist man sich auch über das "Wie" der Komplexitätsforschung. Man arbeitet mit Computersimulationen, sogenannten "Künstlichen Leben". Langton propagiert das sogenannte starke KL und schreibt in der ersten Ausgabe Artificial Life 1994: "Durch künstliches Leben werden wir viel über Biologie erfahren - mehr, als wir durch das Studium natürlicher biologischer Objekte allein lernen könnten. Aber künstliches Leben wird letztlich über die Biologie hinaus in einen Bereich gelangen, für den wir noch keinen Namen haben, der aber unsere Kultur und unsere Technik in einer erweiterten Sicht der Natur enthalten muß." Aufgrund von einfachen Regeln lassen sich mit dem Comuter komplexe Muster erzeugen. Folglich müßten den komplexen Systemen und Phänomenen in der realen Welt auch einfach Regeln zugrunde liegen. Natürlich stoßen solche Folgerungen auch auf Kritik: [Ho95] "die Verifikaton und Bewertung von numerischen Modellen natürlicher Systeme ist unmöglich", schreibt die Philosophin Naomi Oreskes vom Dartmouth College in Hanover (New Hampshire) und Kollegen in einem Artikel von 1994 in der Zeitschrift Sience. Unmöglich deshalb, weil Aussagen sich nur bezüglich abgeschlossener Systeme verifizieren lassen und natürliche Systeme offen sind. Ernst Mayr von der Harvard-Universität in Cambridge (Massachusetts) kontert folgendermaßen: [Ho95] Organismen sind einmalig und verändern sich fortwährend, weshalb sich die Biologie der Mathematisierung widersetzt. Stuart A. Kauffmann, Biochemiker und Biophysiker von der Medizinische Fakultät der Universität von Pennsylvania in Philadelphia sucht betrachtet KL auch kritisch. Er betont, daß er bei jeder Simulation herauszufinden versucht, wie etwas in der Realität funktioniert. Langton glaubt, daß die Wissenschaft überhaupt an Strenge verliert und künftig die wissenschaftliche Kultur poetischer wird.

Bezüglich der "Theorie von Allem" sagt der Festkörper-Physiker und nebelpreisträger Philip W. Anderson von der Universität Princeton (New Jersey): [Ho95] "Ich glaube nicht, daß es eine Theorie von allem geben wird, sondern nur Prinzipien von hoher Allgemeinheit. Man darf nicht dem Truglschluß erliegen, ein allgemeines Prinzip, das auf einer Ebene gut funktioniert, gelte auch auf allen anderen.".

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