Der Fall Napster
Rechtliche und technische Aspekte des Filesharing im Internet

von BAUMGARTNER Markus und ECKER Robert

Einleitung

Für viele ist es mittlerweile völlig normal geworden, digitale Musikdateien aus dem Internet auf den heimischen Rechner zu laden, statt brav CDs im Plattenladen zu kaufen. Diesem Verhalten tragen inzwischen verschiedene Internet-Dienste Rechnung, indem sie eine eigene Infrastruktur zum Tausch solcher Dateien anbieten. Die wohl bekannteste dieser Tauschbörsen ist Napster.

Das Netz gilt gemeinhin als Musterbeispiel einer dezentralen Struktur. Es gibt nicht den Internet-Zentralrechner. Aber ganz gleichberechtigt sind die beteiligten Rechner im Web eben doch nicht. Das Internet ist eher hierarchisch angelegt. Ein Client, in der Regel ein Browser-Programm auf einem PC, sendet über die Telefonleitung eine Anfrage an einen übergeordneten Server. Dieser leistungsfähige Netzcomputer schickt daraufhin eine Web-Seite zurück.

Napster und Co arbeiten dagegen nach dem Prinzip peer-to-peer - einer Kommunikation zwischen Ebenbürtigen. In diesem Verbund sind alle Computer zugleich Client und Server. Ein Rechner kann eine Datei von einem anderen herunterladen oder dorthin verschicken - ganz ähnlich wie in den Anfangstagen des Internet. Damals wurde eine E-Mail von Computer zu Computer weitergereicht, bis sie beim Adressaten ankam.

MP3

Ausgelöst wurde der Erfolg von Diensten wie Napster durch eine Technologie namens MP3, die vom deutschen Fraunhofer Institut entwickelt wurde. MP3 erlaubt erstmals, herkömmliche Musikstücke in adäquater Qualität auf mehr als ein Zehntel des ursprünglichen Speicherplatzes schrumpfen zu lassen. Dadurch lassen sich Verbindungskosten und Platzbedarf soweit reduzieren, daß die Verwendung digitaler Musikdateien für eine große Zahl von Anwendern interessant wird.

MP3 basiert auf dem internationalen Standard MPEG-1, der sich mit der Kompression von digitalen Videodaten und dem zugehörigen Audio beschäftigt. Die Abkürzung MP3 steht für "MPEG-1 Audio Layer III", also den Audioteil des MPEG-1 Standards und das darin enthaltene Kodierungsverfahren "Layer III". Zur Kompression der Daten verwendet MP3 psychoakustische Verfahren, d.h. die Datenmenge wird reduziert, indem Frequenzen ausgefiltert werden, die für das menschliche Gehör im allgemeinen nicht mehr wahrnehmbar sind.

Was ist Napster?

Napster ist ein Programm, mit dem man ohne Probleme, wie defekte Links oder Server nicht verfügbar etc., Songs im MP3-Format herunterladen kann. Die Songs befinden sich auf den jeweiligen Computer der Napster-Benützer und sind daher sofort verfügbar.

Shawn Fanning, ein 19-jähriger Amerikaner, schrieb Napster, um seinen Freunden zu helfen, Musikdateien im weit verbreiteten MP3-Format auszutauschen. Aus diesem Grund ist der Dienst auch nicht vollkommen dezentralisiert. Denn spezielle Datenbankcomputer merken sich, wo sich welche Songs herunterladen lassen.

Wie funktioniert Napster?

Napster bietet die Software und die Infrastruktur zum Tausch von MP3-Dateien zwischen einzelnen Nutzern der Napster-Gemeinde an. Die Musikstücke liegen dabei nicht zentral auf einem Server, sondern verteilt auf den Festplatten der Napster-Anwender. Über ein Filesharing-Verfahren kann der einzelne Benutzer ein oder mehrere Verzeichnisse für den Zugriff freigeben. Startet er dann die Napster-Software, so wird eine Liste seiner Musikstücke zum Napster-Server übertragen. Aus den Listen der einzelnen Nutzer erzeugt und verwaltet der Napster-Server ein Gesamtverzeichnis aller gerade verfügbaren MP3-Dateien. Geht ein Nutzer vom Netz, stehen auch seine Musikstücke nicht mehr zur Verfügung und werden (falls gewünscht) folglich wieder aus dem Verzeichnis gelöscht.

Über die Suchfunktion kann man in diesem Verzeichnis nach Schlüsselworten für Titel und Interpret des Musikstücks suchen und anschließend Dateien aus diesem Angebot auf die eigene Festplatte herunterladen. Die Datenübertragung erfolgt dabei zwischen zwei Napster-Anwendern und ist in der Geschwindigkeit durch den langsamsten Teil auf diesem Übertragungsweg begrenzt. Ist einer der beiden Nutzer über ein langsames 28,8K-Modem mit dem Internet verbunden, so kann die Übertragungsgeschwindigkeit diesen Wert auch dann nicht überschreiten, wenn der zweite Nutzer eine wesentlich schnellere Internetverbindung (56K, ISDN oder ADSL) hat.

Wie nutzt man Napster?

Um Napster zu nutzen, braucht man zuerst die kostenlose Napster-Software, die für Windows- und Macintosh-Systeme unter http://www.napster.com verfügbar ist.

Nachdem der Nutzer sich als Napster-Anwender registriert hat, wählt er ein Verzeichnis der eigenen Festplatte, in dem er MP3-Dateien für andere Benutzer bereitstellt. Damit werden automatisch alle Musikstücke in diesem Verzeichnis für andere Napster-Benutzer verfügbar, sobald er Online ist und die Napster-Software gestartet wurde.

Um die Suche nach dem eigenen Lieblingsstück zu beginnen, genügt ein Klick auf die Lupe in der Toolleiste. Im darauffolgenden Fenster gibt man Suchkriterien wie Schlüsselwörter für Titel und Interpret des Musikstücks an. Zusätzliche Optionen erlauben das Suchergebnis weiter einzuschränken. So können Anbieter mit zu geringer Übertragungsgeschwindigkeit von vornherein ausgeschlossen werden.

Als Ergebnis erscheint eine Liste aller gefundenen und aktuell verfügbaren MP3-Dateien, die den gesuchten Kriterien entsprechen. Nach Auswahl eines oder mehrerer Musikstücke beginnt die Übertragung auf den eigenen Rechner. Hat man einen Gleichgesinnten mit ähnlichem Musikgeschmack gefunden, so kann er in die Notify-Liste übernommen oder per Chat kontaktiert werden.

Sicherheitsproblematik

Auch wenn bisher keine Fälle von Mißbrauch bekannt geworden sind, bietet der Einsatz einer Software wie Napster prinzipielle Risiken. Eine Software, die Teile der eigenen Festplatte per Filesharing im Internet bereitstellt und gleichzeitig einen solch hohen Verbreitungsgrad hat, bietet ein interessantes Ziel für Hacker. Wer Napster nutzen will, sollte daher die Napster-Software möglichst nur direkt über die Napster-Webseiten http://www.napster.com beziehen, um die Gefahr einer nachträglich modifizierten Software zu minimieren.

Auch die Möglichkeit von undokumentierten Hintertüren oder Sicherheitslücken kann nicht ausgeschlossen werden. Eine Software, die anderen den Zugriff auf die eigene Festplatte ermöglicht, ist als problematisch einzuschätzen.

Viren

Bisher sind keine Fälle von virenbefallenen MP3-Dateien bekannt geworden. Vereinzelte Meldungen über MP3-Viren haben sich als Hoaxes - als bewußt zur Verwirrung der Benutzer in die Welt gesetzte Gerüchte - herausgestellt. Da es sich bei den Musikdateien um Daten ohne ausführbaren Programmcode handelt, kann das Laden und Abspielen in einem MP3-Player als wenig gefährlich eingeschätzt werden.

Datenschutz

Bei der Verwendung von Napster sollte man sich darüber im klaren sein, daß das eigene Online-Verhalten (Onlinezeiten, Musikgeschmack, etc.) zu einem Benutzerprofil verarbeitet werden kann.

Copyright - Napster und die Musikindustrie

Für die Verbreitung digitaler Musikstücke gelten natürlich auch die jeweiligen nationalen Urheberrechtsbestimmungen. Bei copyrightgeschützten Titeln heißt das in der Regel, daß der Download nur legal ist, wenn das Original bereits vom Benutzer käuflich erworben wurde. Eine kurze Suche nach einem bekannten Interpreten zeigt schnell, daß Napster neben einer Reihe von freien Musiktiteln primär zum Tausch geschützter Stücke genutzt wird. Entsprechend einfach wird es, illegal an den Musiktitel seiner Wahl zu kommen. Man muß nur Napster starten, den gewünschten Titel suchen, downloaden, fertig.

Die Musikindustrie reagierte - nachdem man das Problem anfänglich offensichtlich verschlafen hatte - entsprechend massiv und erklärte Napster kurzerhand "zum größten Feind der Musikindustrie". In die Schlagzeilen geriet Napster, als die Vereinigung der amerikanischen Musikindustrie (RIAA) vor Gericht eine einstweilige Verfügung zur Schließung von Napster erwirkte, die erst in letzter Sekunde ausgesetzt wurde.

Seit Bertelsmann, immerhin der viertgrößte Medienkonzern der Welt, sich an Napster beteiligt hat, scheinen sich allerdings erste Anzeichen einer geänderten Strategie abzuzeichnen. Statt auf Konfrontation zu setzen, werden vermehrt Allianzen geschmiedet und Lizenzabkommen abgeschlossen. Schließlich bieten Dienste wie Napster einen Distributionskanal, der zukünftig dem Musikvertrieb über CDs den Rang ablaufen könnte.

"Napster Neu" startet am 1. Juli

Mit einem kostenpflichtigen Vertriebsmodell wollen die Partner Bertelsmann und Napster am 1. Juli starten. Kopieren und Weiterverbreiten der heruntergeladenen Musik soll dann verhindert werden.

Eine Richterin in San Francisco hatte der Musiktauschbörse untersagt, über die Napster-Plattform urheberrechtlich geschützte Musiktitel zu verbreiten.

Begrenztes Herunterladen für drei USD

Die monatlichen Abonnementgebühren für unbegrenztes Herunterladen will Bertelsmann zwischen fünf und knapp zehn USD plazieren.

Begrenztes Herunterladen von Musikdateien werde zwischen knapp drei und knapp fünf USD kosten. Wie viele "Downloads" in diesem Preis enthalten sind, wollte Frank Sarfeld, Sprecher der Bertelsmann eCommerce Group (BeCG), noch nicht verraten.

Ihm zufolge entstehen noch Zusatzkosten, wenn Nutzer beispielsweise heruntergeladene Songs auf CDs brennen wollen.

Chronik eines angekündigten Todes

Die Zahl der über Napster getauschten Files lag, nachdem ein Gericht die Filterung der urheberrechtlich geschützten Titel angeordnet hatte, laut den Marktforschern von Webnoize im April 2001 um 36 Prozent niedriger als im März.

Die Zahl der über Napster getauschten MP3-Dateien sei vom Höchststand von 2,79 Milliarden im Februar im März auf 2,49 Milliarden und im April auf 1,59 Milliarden gesunken, teilte Webnoize mit.

Mehr Filter, weniger Nutzer

Für die Zukunft der Tauschbörse bedeuten die aktuellen Nutzerzahlen nichts Gutes, da das Unternehmen demnächst plant, noch weitaus effektivere Filter einzusetzen.

Napster hat die Lizenz für eine akustische Filtertechnologie erworben. Der Einsatz dieser neuen Filter sollte das Problem der Vorgänger vermindern, da diese ersten Filter entweder leicht zu umgehen waren oder sogar nicht-copyright-geschützte MP3s herausgefiltert haben.

Das von der Firma Relatable entwickelte System erkenne die Musikstücke unabhängig vom Audio-Format an der Aufnahme selbst. Anhand von akustischen Merkmalen könnten die Aufnahmen eindeutig identifiziert werden.

Für Napster besitzt das Funktionieren oder Nichtfunktionieren der Filter eine überlebenswichtige Bedeutung - in jeder Hinsicht. Arbeiten die Filter nicht effektiv genug, wird die Musikindustrie mit Schadensersatzforderungen nicht allzu lange auf sich warten lassen. Arbeiten die Filter effektiv, werden die derzeit knapp 70 Millionen Anwender in Scharen abwandern und die Anzahl potentieller Abonnenten im geplanten Gebührenmodell spürbar absenken. Folglich wird man bei Napster wie in der Vergangenheit alles daran setzen, so viel Zeit wie möglich zu schinden, um die derzeitigen Anwender möglichst lange zu haltern

Alternativen

Neben den offiziellen Napster-Servern gibt es aber auch noch rund 50 sogenannte OpenNap-Server. Diese sind unabhängig von Napster Inc. und werden teils kommerziell, teils privat betrieben - die Filterung betrifft sie also nicht. Das größte OpenNap-Netzwerk ist momentan Musiccity mit 30 Servern, die im Verbund geschaltet sind. Rund 20.000 Benutzer mit ca. 22 Terabytes sind momentan bei Musiccity gleichzeitig zum Durchsuchen verfügbar. Im Vergleich: Beim original Napster werden im Schnitt nur ca. 10.000 Benutzer und 8 Terabyte zusammengeschaltet.

Musiccity und die anderen OpenNap-Server lassen sich entweder mit dem Programm Napigator und dem herkömmlichen Napsterclient ansteuern oder man benutzt einen Napsterclone wie Audiognome oder FileNavigator.

Dank Musiccity ist Napstern also momentan besser als je zuvor - wobei natürlich unklar ist, wie lange Musiccity selbst durchhält und vor allem mit welcher Motivation sich der Service so massiv ins heiße Geschehen um Napster begibt. Selbst wenn Musiccity abgeschossen und das Original-Napster gefiltert wird, ließen sich oben genannte Methoden anwenden, um trotzdem noch per Napster zu tauschen. Nicht zu vergessen, natürlich sämtliche andere Fileshare-Alternativen auf die wir hier gar nicht eingehen.

Was wir hiermit ausdrücken wollen: Die Musikindustrie sollte sich lieber früher statt später mit Napster einigen, denn sie wird einsehen müssen, daß sich das Internet nicht effektiv filtern läßt. Illegale Aktivitäten zu verhindern zu versuchen ohne ordentliche legale Modelle auf die Beine zu stellen war in den vergangenen vier Jahren in Sachen MP3 schon nicht die Lösung; das wird sich dieses Jahr wohl kaum ändern.

Fazit

Napster ist eine Internetbörse für digitale Musikstücke im MP3-Format. Neben den rechtlichen Problemen wurden die Gefahren von Viren, Zugriffsrechten und Datenschutz angesprochen, die beim Down- und Upload von Musikdateien entstehen können. Insbesondere auf Firmenrechnern, vor allem wenn diese sensible Daten enthalten, sollte daher auf den Einsatz der Napster-Software verzichtet werden. Beim privaten Einsatz sollte man sich der Risiken, besonders beim Herunterladen copyrightgeschützter Musik, bewußt sein.

Ein großes Problem für die Musikindustrie sind die Folgen der illegalen Nutzung von Tauschbörsen wie Napster. Neben dem Diebstahl von künstlerischem Eigentum kann auch eine Gefährdung von Arbeitsplätzen nicht ausgeschlossen werden.