2.7. Auswahl von Telearbeitern

Die Auswahl derjenigen Mitarbeiter, die an einem Telearbeitsprojekt teilnehmen sollen, ist ein sehr wichtiger Gesichtspunkt, der einen entscheidenden Einfluß auf den Erfolg des Projektes hat. Daher ist es sehr wichtig zu untersuchen, welche Tätigkeiten überhaupt für die Telearbeit geeignet sind, und wie die Personen auszuwählen sind, die dann tatsächlich die Möglichkeit zur Telearbeit bekommen.

2.7.1. Für Telearbeit geeignete Tätigkeiten

Früher wurden sehr restriktive Bedingungen für die Tätigkeiten aufgestellt, für die Telearbeit in Frage kommt, doch aufgrund des schnellen Fortschritts der Kommunikationstechnik und der Verbilligung von Computern, relativieren sich diese Bedingungen [TELE94]:

  1. Minimale Anforderungen an die technische Ausstattung
  2. Definierte Arbeitsschritte
  3. Möglichkeit der individuellen Zeiteinteilung der Arbeit durch den Mitarbeiter
  4. Klar definierte Arbeitsvorgaben und -ergebnisse
  5. Geringer Kommunikationsbedarf

Gründe für ein heute viel breiteres Spektrum als diese sehr engen Möglichkeiten sind:

Aufgrund dieser Betrachtungen ist es ratsam, nicht grundsätzlich viele Arbeitsplätze von vornherein als für die Telearbeit ungeeignet zu qualifizieren, sondern sorgfältig jeden Einzelfall zu prüfen, wobei insbesondere auch darüber nachgedacht werden sollte, ob ein bestimmter Arbeitsplatz nicht nur aufgrund der derzeitigen Organisation und Führung für die Telearbeit ungeeignet ist und sich daher mit einer Umstrukturierung ein viel größeres Potential an möglichen Telearbeitern ergibt [DACOM].

2.7.2. Auswahlkriterien für Arbeitsplätze

Für Arbeitsplätze lassen sich einige Kriterien angeben, nach denen man untersuchen kann, ob die dort verrichtete Arbeit nicht vielleicht auch dezentral möglich wäre [TELE94], [KUGE95], [DRÜK88], [LENK88]:

Diese Merkmale stellen allerdings nur einen groben Rahmen für eine Vorabschätzung dar. Ein allgemeingültiges und festes Schema, das die Beurteilung der Eignung von Arbeitsaufgaben für die Telearbeit ermöglichen würde, kann es nicht geben. Hierzu sind die Aufgabenbereiche und Tätigkeiten in Unternehmen und die jeweiligen unternehmensspezifischen Anforderungen zu vielfältig.

2.7.3. Beispiele von Telearbeitsplätzen

In der folgenden Tabelle sind beispielhaft einige Tätigkeitsfelder der Telearbeit zusammengefaßt, die im Rahmen von Telearbeitsprojekten realisiert worden sind. Diese Aufzählung bietet einen Eindruck von der Vielfalt, ist aber keine vollständige Auflistung:

Tabelle 5: Beispiele für Telearbeitsplätze [GODE94], [DRÜK88], [KREI90]

Programmierung Datenbankentwicklung DV-Wartung DV-Beratung
Systemanalyse Fernwartungstätigkeiten Telefonmarketing Kundenberatung
Datenerfassung Texterfassung Textverarbeitung Satzerstellung
Sekretariatsdienste Sachbearbeitung Buchhaltung Controlling
Kalkulation Antragsbearbeitung Dokumentation Finanzberatung
Telefonische Auftragsannahme Hot-Line-Service, Bereitschaftsdienst Telefonische Informationsdienste Entwicklungstätigkeiten
Außendienst Kundendienst Reservierungsdienste Planungstätigkeiten
Produktgestaltung Grafik und Design Konstruktion Juristen
Rechtsanwälte Autorentätigkeiten PR-Tätigkeiten Statistik
Beratungen Informationsvermittler Rechercheure Architekten
Gutachtertätigkeiten Übersetzungstätigkeit Techn. Zeichnen / CAD Steuerberatertätigkeiten
Forschungstätigkeiten Vorbereitung von Lehrtätigkeiten Vorbereitung von Schulungen Journalistische Tätigkeiten

Ein Diagramm der Aufgaben, die über Telearbeit abgewickelt werden zeigt, daß die Software-Entwicklung gut dafür geeignet ist, da fast ein Drittel der befragten Firmen Telearbeit für diese Tätigkeit einsetzen (Befragung von 78 Firmen, Mehrfachnennungen möglich [GODE96]):

Abbildung 3: Telearbeitsaufgaben in der Praxis

2.7.4. Auswahlkriterien für Arbeitnehmer

In diesem Abschnitt soll nun untersucht werden, wie man Telearbeiter aufgrund ihrer Person auswählen kann, wenn ihre Arbeitsplätze als für die Telearbeit geeignet festgestellt wurden. Dies ist ein sehr delikater Schritt, da er leicht zur Diskriminierung von verschiedenen Gruppen (insbesondere Frauen) führen kann. Jedoch kann nicht darauf verzichtet werden, da sich in den meisten Fällen (vor allem in der Einführungsphase mit wenigen Telearbeitern) sehr viel mehr Mitarbeiter melden und aufgrund ihres Arbeitsplatzes für Telearbeit qualifizieren werden, als in das Versuchsprojekt aufgenommen werden können. Im Anschluß werden nun einige Kriterien untersucht, von denen einige wichtiger sind als andere (Freiwilligkeit, Erfahrung, Motivation), während beispielsweise die häuslichen Verhältnisse überhaupt nicht durch den Arbeitgeber bewertet werden sollten, wie beispielsweise von der Gewerkschaft verlangt. Eine Auswahl aufgrund der Persönlichkeit des potentiellen Telearbeiters wird in [KUGE95] streng abgelehnt, da darüber kein Manager entscheiden kann. Dagegen wird verlangt, daß die Kandidaten genau über alle Aspekte informiert werden und danach selbst die Entscheidung treffen können. In fast allen anderen Publikationen wird hingegen mehr oder weniger stark betont, daß auch die Persönlichkeit ein wichtiger Auswahlfaktor sein kann (Motivation, Erfahrung, Leistung, ...). Besonders deutlich wird dies, wenn von potentiellen Telearbeitern gefordert wird:

"Die besten Telearbeiter sind sehr leistungsfähige Mitarbeiter mit hohem Wissen in Bezug auf ihre Arbeit, die auch selbstdiszipliniert und hochmotiviert sind und gerne alleine arbeiten. Mitarbeiter, die ständig Anweisungen benötigen, sind schlechte Telearbeiter. Telearbeit ist allgemein nichts für schwache Mitarbeiter oder Dienstnehmer, die erst die Arbeit erlernen." (Übersetzt aus dem Englischen, [BAY])

2.7.4.1. Freiwilligkeit

In allen Publikationen wird betont (im besonderen in gewerkschaftlich orientierten, [KOLM96b]), daß Telearbeit in der Wohnung der Mitarbeiter ausschließlich auf Freiwilligkeit beruhen sollte. Dies hat zweierlei Gründe. Erstens sind unwillige Mitarbeiter nie gute Mitarbeiter, und meistens gibt es auch gute Gründe, warum ein Mitarbeiter nicht von zu Hause aus arbeiten möchte, wie beispielsweise beengte Platzverhältnisse oder befürchtete Probleme mit Lebensgefährten oder Kinder [KUGE95]. Zweitens ist erzwungene Telearbeit nach Meinung der Gewerkschaften oft mit Ausbeutung der Angestellten verbunden (Bezahlung nach Stücken, extrem lange Arbeitszeit, ...).

Ein Unterschied besteht bei Satelliten- oder Nachbarschaftsbüros, da dies einer Versetzung an einen anderen Firmenstandort gleichkommt, was für Angestellte teilweise verpflichtend sein kann. Da bei diesen Telearbeits-Arten auch kein Eindringen in die Privatsphäre der Mitarbeiter vorkommt, gibt es hiergegen auch viel weniger Widerstand, insbesondere da für die Mitarbeiter kein längerer sondern im Gegenteil ein viel kürzerer Anfahrtsweg entsteht und nur sehr wenige andere Nachteile (verringerte Beförderungsmöglichkeiten, weniger soziale Kontakte, ...) zu befürchten sind.

2.7.4.2. Firmenerfahrung

In den meisten Fällen wird es von Vorteil sein, wenn Mitarbeiter bereits die Firma und ihre engeren Mitarbeiter und Vorgesetzten genau kennen, bevor sie Telearbeit durchführen. Weiters ist durch eine längere Arbeitserfahrung [GLAS94] mit besserer Zusammenarbeit in Teams, sowie weniger Problemen und notwendigen Rückfragen zu rechen. Aus diesen Gründen werden zwischen 3 und 24 Monaten Firmenerfahrung empfohlen [KUGE95] ([GODE94]: langjährige Mitarbeiter). Für eine kürzere Frist sind Mitarbeiter geeignet, die bereits Erfahrung bei ihrer Tätigkeit gesammelt haben, und daher nur mehr wenige Schwierigkeiten haben sollten. Ein Problem kann dieses Kriterium jedoch darstellen, wenn versucht wird, einen neuen Mitarbeiter mit dem speziellen Anreiz der Telearbeit anzuwerben, da dieser kaum eine lange zentrale Zeit akzeptieren wird, bevor er telearbeiten darf. Dieses Kriterium darf daher nicht als absolute für alle Fälle geltende Regelung gesehen werden. Eine Firmen-Erfahrung ist insbesondere dann notwendig, wenn noch wenig bis keine Berufspraxis in dieser Tätigkeit vorhanden ist.

2.7.4.3. Leistung

Es wird oft hervorgehoben, daß Telearbeit nur für die besten Mitarbeiter geeignet ist, da diese bereits ihre Zuverlässigkeit, Selbständigkeit und ihren Fleiß unter Beweis gestellt haben [DACOM], [GODE94], [SVTC]. In engem Zusammenhang damit ist die Forderung nach Selbstdisziplin, Planungs- und Organisationsfähigkeit zu sehen, ohne die am Telearbeitsplatz keine hohe Leistung zu erwarten ist [LEHN96]. Dies führt dazu, daß sich nur wenige Mitarbeiter für Telearbeit qualifizieren und so ein Privileg gebildet wird. In negativer Hinsicht ist zu berücksichtigen, daß auch bei leistungsschwächeren Mitarbeitern durch eine erhöhte Produktivität Gewinne zu erzielen wären, auch wenn diese meist geringer sein werden als die der besten Mitarbeiter. In manchen Fällen ist auch die Leistung nur deshalb niedrig, weil Probleme vorhanden sind, die durch Telearbeit vermieden werden könnten. Bei einer Auswahl anhand der Leistung würden diese Mitarbeiter keine Möglichkeit zur Telearbeit erhalten, obwohl bei ihnen die größte Leistungssteigerung zu erwarten wäre [KUGE95].

2.7.4.4. Motivation

Dies ist eine der grundlegenden Voraussetzungen für erfolgreiche Telearbeit ([GODE94], [WEBER], [SVTC], [LEHN96]), denn fehlt die persönliche Motivation eines Mitarbeiters, so wird diese bei zentraler Arbeit durch ständige Erfolgskontrolle ersetzt, die bei Telearbeit wegfällt. Durch solche mangelnde Motivation kommt es bei Telearbeit leicht zu Leistungseinbußen, was weder für den Betrieb noch für den Mitarbeiter von Vorteil ist. Insbesondere bei Tele-Heimarbeit besteht bei mangelnder Motivation die Gefahr, daß Telearbeiter durch vielerlei Kleinigkeiten (Kinder, Lebensgefährten, Handwerker, notwendige private Tätigkeiten, ...) abgelenkt werden, und auf diese Weise sowohl Arbeitszeit wie auch Leistung absinkt.

2.7.4.5. Häusliche Verhältnisse

Unter "häuslichen Verhältnisse" sind einige Einzelheiten zusammengefaßt, die nur bei Tele-Heimarbeit besonders zu beachten sind. So wird bei Telearbeit in der Wohnung ein eigener Raum für die Arbeit benötigt, der, wenn irgendwie möglich, auch noch räumlich vom Rest der Wohnung getrennt sein sollte. Ist dieser nicht vorhanden, so ist Telearbeit nicht sinnvoll möglich. Weitere Problemfelder sind Kinder, der Lebensgefährte, pflegebedürftige Angehörige oder andere Personen, die sich während der Arbeitszeit im Haushalt aufhalten. Über daraus möglicherweise entstehende Probleme sollte jede Firma, die Telearbeit einführen möchte, ihre Mitarbeiter informieren, sodaß diese selbst entscheiden können, ob Telearbeit für sie sinnvoll ist. Ebenso sollte ein Gespräch vor dem Telearbeits-Beginn mit diesen Personen geführt werden, um diese zu informieren und etwaige Unklarheiten oder übertriebene Erwartungen auszuräumen.

2.7.4.6. Gehalt

Mitarbeiter, die ein hohes Gehalt beziehen, deren Arbeit also für einen Betrieb teuer ist, bringen bei einer Produktivitätssteigerung die höchsten finanziellen Vorteile für Unternehmen [WILD96]. Denn eine 20 %-ige Produktivitätssteigerung bei einem Arbeitsplatz, der mit S 25.000 Brutto bezahlt wird, macht eine Ersparnis ca. S 5.000 aus, während eine nur 10 %-ige Steigerung der Produktivität auf einem Arbeitsplatz mit S 60.000 Brutto für ein Unternehmen S 6.000 bringt. Eine Relativierung erfährt dieses Auswahlkriterium allerdings dadurch, daß teure (in Bezug auf das Gehalt) Arbeitsplätze meist auch eine hohe Investition in Hard- und Software-Ausstattung für den Telearbeitsplatz benötigen, während eher niedrig qualifizierte Mitarbeiter mit viel billigeren Arbeitsmitteln auskommen. Es ist also genau abzuwägen, ob die Vorteile durch eine bessere Produktivität auch die höheren anfänglichen und laufenden Kosten eines Telearbeitsplatzes abdecken. Ebenso werden bei IBM hauptsächlich hoch qualifizierte Tätigkeiten und Tätigkeiten für eine stark erhöhte Kundenzufrriedenheit (Z. B. schnelle Wartung bei Fehlern oder gute Erreichbarkeit von Kundenberatern) für Telearbeit in Betracht gezogen, da diese den höchsten Nutzen im Vergleich zu den Kosten aufweisen [ZORN96].


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(c) 1997 Michael V. Sonntag